In der NZZ am Sonntag beschreibt der Pfarrer und Schrifsteller Ulrich Knellwolf am Beispiel einer kleinen Alltagsepisode, wie wir uns hinter Gesetzen verstecken können. In seiner Anekdote schildert er die Situation im Restaurant, wenn am Nebentisch Zigarren gepafft werden, während man mitten im Hauptgang steckt. Ein entsprechendes Gesetz würde einen somit von der Pflicht entbinden, seinen Mut zusammenzunehmen, um die Raucher höflich aber bestimmt auf die unangenehme Situation anzusprechen und bitten, das Rauchen auf später zu verschieben.
Doch sehe ich dieses Phänomen nicht nur bei fehlenden Gesetzen, sondern allgemein im Alltag. Es ist jeweils erschreckend zu lesen, dass am helllichten Tag mitten in der Stadt ein Verbrechen geschehen ist, ohne dass jemand eingegriffen hat. Statt beherzt einzugreifen, werden allzu oft die Scheuklappen montiert und sich möglichst schnell aus dem Staub gemacht.
In dieser Hinsicht muss ich Herrn Knellwolf Recht geben, wenn er schreibt, dass «Zivilcourage der Gesellschaft förderlicher als ein Gesetz» ist. Denn nach einem Gesetz zu schreien oder sich hinter einem zu verstecken, ist zwar einfacher, fördert jedoch den Egoismus und das Gärtchen-Denken. Gerade in der Zeit der Selbstverwirklichung mit Hang zur Egomanie täte man gut daran, sich in entsprechenden Situationen der Zivilcourage zu besinnen und entsprechend zu handeln. Sich selber und der ganzen Gesellschaft zuliebe.