Ein Lebensziel konnte abgehakt werden: Marathon unter drei Stunden laufen. Doch nun einmal der Reihe nach. Wie bereits im Saisonrückblick 2011 geäussert, stand das erste Halbjahr 2012 ganz im Zeichen des Zürich Marathon und meinem Vorhaben, die Marathon-Bestzeit endlich unter die 3-Stunden-Schallmauer zu drücken. Erstmals bereitete ich mich mit einem Trainingsplan vor. Benj schickte mir einen 10-Wochen-Trainingsplan für 2:59 Stunden und nach weiteren Recherchen im Internet individualisierte ich den Plan zusätzlich. Während des Winters hatte ich meine Form gehalten und so konnte ich im Februar auf einer Grundkondition aufbauen.
Etwas, das ganz neu für mich war, waren die langsamen Trainingsvorgaben. Es fiel mir ausserordentlich schwierig, mit einer Pace von 5:30 oder sogar 5:45 zu trainieren. Anscheinend war ich bis anhin stets zu schnell unterwegs. Ich gab mir Mühe, die Trainings einzuhalten und machte dadurch auch das erste Mal Intervalltrainings und Fahrtspiele – teilweise sogar auf der Bahn. Die Wochenenden dienten den langen Läufen sowie einigen Wettkämpfen (siehe Berichte im Blog). Das längste Training war zwei Wochen vor dem Marathon mit geplanten 35 Kilometer, die durch eine Fehleinschätzung von mir zu 38 wurden.
Am Berliner Halbmarathon drei Wochen vor Zürich tankte ich nochmals Moral und war (nicht nur) dadurch sehr zuversichtlich, auf dem richtigen Weg zu sein. Trotzdem musste natürlich auch die Tagesform und die Umstände – beispielsweise die Witterung – mitspielen. Und genau diese Witterung respektive die Wettervorhersage änderte in der Vorwoche teilweise stündlich. Kein Wunder bei diesem sprichwörtlichen Aprilwetter. Kühl würde es auf jeden Fall werden, soviel war bald einmal klar. Doch würde es auch trocken blieben?
Ungeachtete dieser Unsicherheiten zog ich den Trainingsplan auch in der letzten Woche durch. Somit kamen von anfangs Februar bis zum Marathon knapp 900 Laufkilometer der unmittelbaren Vorbereitung zusammen. Bei der Ernährung erhöhte ich in den letzten Tagen sukzessive den Kohlehydratanteil und achtete darauf, stets genügend zu trinken. Wegen Krampfanzeichen in der Wade in der Vorwoche nahm ich zudem noch Magnesium zu mir. Vor allem hoffte ich aber, dass mich Silja mit ihrer Erkältung so kurz vor dem Rennen nicht noch ansteckte. Ein paar zusätzliche Vitamine unterstützen (placebomässig) mein Immunsystem, das in der Tat alles abzuwehren vermochte. Für die Übernachtung von Samstag auf Sonntag hatten wir uns bei meinen Eltern einquartieren dürfen, so dass der Weg zum Start komfortabel kurz ausfiel. Leider verhinderte eine Verletzung die Teilnahme von Silja, so dass ich alleine am Samstag meine Startnummer in der Saalsporthalle abholte. Ich hielt diesen Abstecher jedoch bewusst kurz, um nicht noch lange unnötig an der Messe herumzustehen.
Am frühen Samstagabend gab es einen letzten grossen Kohlehydrateschub in der Form von Spaghetti. Diesmal hatte ich mir fest vorgenommen, auch die Ernährung soweit zu perfektionieren, als dass ich keinerlei Magenprobleme mehr haben sollte. Zwei Bananen am Samstag sollten dies bereits begünstigen. Nach einem kurzen Abstecher zwecks Geburtstagsgratulation in die Stadt bei strömendem Regen ging es anschliessend einigermassen bei Zeiten ins Bett.
Am Sonntagmorgen weckte mich mein Wecker um 6:00 Uhr. Morgentoilette und möglichst rasch das Frühstück einnehmen, so dass genügend Zeit zwischen letzter Mahlzeit und Start lag. Mit Zopf und Honig wurden die Kohlehydrate zugeführt. Dazu isotonische Getränke und Wasser. Der Ausblick am frühen Morgen über die erwachende Stadt war wunderbar und eine gelungene Einstimmung auf den Tag X! Renntenü anziehen, das bereits am Vortag vorbereitet wurde und trotz zur Zeit noch trübem Wetter nicht mehr geändert wurde: kurz/kurz ist ein Muss für ein schnelles Rennen!
Gegen die Kälte zog ich mir einen Plastik vom Berliner Halbmarathon über und schnappte mir Banane und Flasche, bevor ich mich um 7:45 Uhr auf den Weg zum Shuttlebus machte. So war ich kurz nach 8 Uhr beim Startgelände und hatte somit noch eine knappe halbe Stunde Zeit für die letzten Vorbereitungen. Will heissen: Toilette, Einlaufen und Einstimmen. Die GPS-Uhr wurde ein letztes Mal überprüft, insbesondere die Pacemaker-Funktionalität. Mein Plan sah vor, mit einer Pace von 4:12 Minuten mindestens bis zur Halbmarathonmarke zu laufen und anschliessend zu schauen, wie ich mich fühlte. Somit würde eine Zielzeit von etwa 2:58 Stunden resultieren, was auch noch zwei Reserveminuten beinhaltete, sollte Unvorhergesehenes passieren.
Die Startblocks füllten sich nun langsam und ich fragte kurz die 3:00-Pacemaker, mit welchem Schnitt sie anlaufen würden. Da sie 4:15 angaben, entschloss ich mich, vorne weg zu laufen, um so auch zusätzlich dem Pulk aus dem Weg gehen zu können. Natürlich standen wiederum zahlreiche Läufer überhaupt nicht nach ihren Stärkeklassen (Sektorfarben) ein, aber das ist ja nichts Neues. Dieses Jahr hatte es eine feinere Unterteilung gegeben und mein roter Sektor war direkt hinter der Elite mit einer Zielzeit bis 3:05 Stunden. Bis jetzt war ich praktisch nicht nervös und auch der Magen spielte nicht verrückt – ein ganz neues Gefühl bei einem Marathon. In den letzten Minuten vor dem Start stieg die Nervosität trotzdem langsam an. Ein letzter Schluck aus der Flasche und noch einen Bissen Banane, um mich direkt anschliessend dem Plastik zu entledigen. Nun war ich endgültig bereit und wartete bereits sehnlich auf den Startschuss. Ein kurzer Augenblick zeigte sich sogar die Sonne und das Starterfeld applaudierte spontan. Beim Startschuss hatten sich die Wolken jedoch bereits wieder vorgeschoben.
Entsprechend meinem Startblock kam ich zügig weg und musste auf den ersten paar Metern die falsch eingestandenen Läufer zuerst einmal umkurven. Doch bereits beim Bürkliplatz hatte ich mir einen angenehmen Platz erlaufen. Ausser einem älteren Herrn, der mich mehrmals mit dem Ellbogen traktierte und mich partout nicht vorbei lassen wollte. Beim Bellevue hatte ich dann auch diesen Störenfried hinter mir gelassen. Das Publikum säumte hier zahlreich die Strassen und machte motivierend Stimmung. Bereits auf der Höhe des Opernhauses hatte ich die geplante Pace überschritten und lief mit 4:09. Vorerst lief ich so im Fluss weiter, behielt jedoch stets im Hinterkopf, dass ich eher drosseln als forcieren sollte.
Bei der Kehrtwende beim Zürichhorn hatte ich den Rhythmus gefunden – wenn auch immer noch ein wenig auf der schnellen Seite. Inzwischen hatte es auch einen kurzen und kräftigen Regenguss gegeben, so dass ich bis auf die Haut durchnässt war – Füsse inklusive. Der Regen liess jedoch bald nach und es nieselte nur noch leicht. Dank den etwa 7 °C war es ziemlich frisch und vor allem die nassen Hände fühlten sich je länger desto steifer an. Fürs Wasserfassen reichte es noch, so dass ich von Beginn weg immer ein Fläschchen für drei bis fünf Schlucke nahm. Der Magen war nach wie vor super und auch die Blase machte mit.
Kurz vor dem erneuten Startdurchlauf hatte ich mit Papi für eine Fotosession abgemacht. Trotzdem erspähte ich ihn relativ spät, das trübe Wetter liess die eingepackten Leute alle ähnlich erscheinen. Ein paar Fotos und ein kurzer Willkommensgruss später war ich auch bereits um die Ecke und steuerte dem Start entgegen. Die Viertelmarathon-Marke passierte ich mit knapp 44 Minuten – der Fahrplan stimmte.
Vorbei am Bahnhof Tiefenbrunnen, an welchen ich noch eine ungute Erinnerung von meinem letzten Marathon hatte. Dieses Mal passierte ich jedoch problemlos und nun ging es Richtung Meilen, immer den Gestaden des Zürichsees entlang. Die Zuschauer waren nun nicht mehr ganz so zahlreich, dafür machten diverse Bands und Musiken Stimmung am Strassenrand.
Ab Kilometer 15.5 gab es bei den Verpflegungsposten zusätzlich PowerBar-Riegel. Ich begann von Anfang an, jeweils einen Bissen zu nehmen und mit Wasser nachzuspülen. Mit den klammen Fingern war es jeweils gar nicht so einfach, ein Riegelstückchen zu ergreifen und erfolgreich abzubeissen. Ich lief nun in einer losen Gruppe, in der ein stetes Überholen und Überholtwerden praktiziert wurde. Primär schaute ich dabei auf die Pace und liess mich nicht verunsichern. Trotzdem war es nützlich, ab und zu bei jemandem anhängen zu können.
Bis Meilen wollte ich die angepeilte Pace laufen, jedoch keine Reserven anzapfen. So sah es der Plan vor und ich war auch stets darauf bedacht, nicht zu schnell zu werden. Trotzdem lief ich meistens 4:10-Kilometer. Dementsprechend betrug mein Vorsprung auf den Fahrplan bei Halbzeit gut 1:30 Minuten. Das Gefühl war nach wie vor super, aber im Hinterkopf schlummerte noch immer die Angst vor dem Hammermann.
In Meilen dann die Wende mit dem Durchlaufen des Guggen-Festzelts und der super Stimmung im Dorf. Ein Aufsteller, der einen für den Rückweg beflügelt. Dazu kommt das gute Gefühl, bereits auf dem Rückweg zu sein, während auf der anderen Strassenseite noch lange die Läufer Richtung Meilen laufen. Nun durfte ich also gemäss meinem Plan das Tempo anziehen. Vorerst hiess das, stets unter 4:10 zu laufen.
Bei Kilometer 30 fingen dann die Rechenspiele an. So kalkulierte ich, dass ich den Rest mit einem Schnitt von 4:30 laufen könnte und noch immer unter 3 Stunden bliebe. Eine sehr beruhigende und fast euphorisierende Tatsache, ist doch 4:30 ein Tempo, das ich im Training locker laufen kann.
Auch das Verpflegungskonzept gab zu keinen Ängsten Anlass, so dass ich es bis zum Ende beibehielt: Einen Bissen Riegel, drei bis fünf Schlucke Wasser. Bei Kilometer 35 dann das Rechenergebnis, dass auch 5-Minuten-Kilometer reichen würden. Der aktuelle Schnitt lag nun bei 4:06 und das Gefühl war fast zu gut. Ich überholte ständig, was mir zusätzlich Auftrieb verlieh. Viel früher als erwartet (gutes Zeichen!) kam der Bahnhof Tiefenbrunnen ins Sichtfeld. Nun war ich mir sehr sicher, dass es reichen würde und fing an, das Ganze zu realisieren und dementsprechend zu geniessen.
Vorbei am Opernhaus und rein in die zuschauergesäumten Strassen rund ums Bellevue. Trotz super Gefühl wäre ich beim Bürkliplatz gerne direkt ins Ziel gelaufen. Die Strecke sah jedoch nochmals eine Schleife zum Hauptbahnhof vor. Der Hinweg über den Paradeplatz und die Bahnhofstrasse war kein Problem, der Rückweg kam mir dagegen (unnötig) lange vor. Dann noch ein letzter Verpflegungsposten, wobei ich auch hier nur Wasser nahm – nicht isotonische Getränke wie bei den vorherigen Teilnahmen.
Und dann kam er endlich: Der Moment, auf den ich seit Jahresbeginn hingearbeitet hatte. Die lange Zielgerade, ein letzter Blick auf die Uhr und der Einlauf mit der Gewissheit, zur Gruppe der Sub-3-Läufer zu gehören. Heute war wirklich alles aufgegangen!
Mit 2:56:03,0 erreichte ich den 30. Rang meiner Kategorie bei 562 klassierten Läufern und den 126. Platz insgesamt. Selbsterklärend, dass ich damit mehr als zufrieden war. Hätte mir diese Zeit jemand vor dem Start angeboten, ich hätte ohne zu Zögern unterschrieben. Ob dies nun mein letzter Marathon war? Ich denke nicht, auch wenn die grosse Schallmauer nun durchbrochen ist und es sehr schwierig werden wird, diese Zeit zu unterbieten. Nun geniesse ich erst einmal diesen Erfolg!
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